Erasmus+ Kurs über das finnische und lettische Bildungssystem
vom 4.11. – 12.11.2023
Von A. Michael, C. Münnich
Vom 04.11. – 12.11.2023 nahmen wir an einem Erasmus+-Programm in Helsinki/Finnland und Tallinn/Estland teil. Müssten wir alles in einer Quintessenz zusammenfassen, könnten wir sagen „Less is more“ – was zugleich ein Motto des finnischen Bildungssystems wiedergibt.
Zunächst haben wir uns einen Vormittag mit dem finnischen Schulsystem beschäftigt. Als in der ehemaligen DDR Geborene und Aufgewachsene kam uns so manches bekannt vor: Gemeinsames Lernen bis zur 9.Klasse, EIN nationales Curriculum, aber viele Freiheiten in der Ausgestaltung und Lernzielerreichung. Die Finnen vertrauen Ihren Lehrerinnen und Lehrern, da alle ein hoch angesehenes Lehramtsstudium absolvieren müssen. Hier wirst Du gefeiert, wenn Du das Auswahlverfahren bestanden hast. In den 5 Jahren Lehramtsstudium wirst Du ein Experte auf dem Gebiet der Pädagogik und pädagogischer Psychologie sowie dem empirischen Arbeiten – Du forschst auch nach Deinem Studium weiter und das merkt man.
Alle sind daran interessiert, Ihre Arbeit zu evaluieren, ihren Unterricht auf der Basis dieser Daten zu verbessern und ihr Wissen zu teilen. Es gehört zum „common sense“, dass man eng zusammenarbeitet. Das zeigt sich zum Beispiel in gemeinsamer Jahresplanung und Stundenvorbereitung (fächerübergreifend), gegenseitige Hospitationen, aber Kooperationen zwischen verschiedenen Schulen sind vorgeschrieben.
Die Schulleitungen unterstützen die pädagogische Arbeit und Qualitätsentwicklung indem sie feste wöchentliche Zeitkorridore einräumen, in denen die Kollegen sich in Ihren Teams treffen, planen und fortbilden. Im Zentrum aller Überlegungen und Handlungsentscheidungen stehen die Schülerinnen und Schüler und die Frage, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten wir unseren Kindern und Jugendlichen in der Schule mit auf den Weg geben müssen, um mit den Herausforderungen des Lebens umgehen zu können. Und damit sind wir bei „Less is more“. Der Fokus in Finnland liegt mehr auf dem Lernprozess und weniger auf dem Ergebnis. Wir
hatten den Eindruck, dass das nationale Curriculum/der Lehrplan nicht diese „Stoffdichte“ hat wie bei uns. Das gibt Zeit, die wir oft nicht haben. Die Kinder lernen von klein an ihren Lernprozess zu planen, Lernstrategien anzuwenden und ihr Lernen zu reflektieren. Finnische Pädagogen sind Lernbegleiter, die den Lernprozess beobachten und an geeigneter Stelle den Lernenden unterstützen, es selbst zu tun.
Dafür gibt es an jeder Schule ein multiprofessionelles Team aus Pädagogen, Sonder- und Heilpädagogen, Krankenschwester, Psychologen, Logopäden und Berufsberatern.
Für die Lernenden ist die Schule ein „cosy-place-to-be“. Jeder Pädagoge gestaltet seinen Unterrichtsraum individuell. Tische und Stühle in Reihe sind eine Seltenheit. Es gibt Sitzinseln, Sofas, Hocker, Podeste, Kissen und vieles mehr. Alle sollen sich wohlfühlen und vertrauen haben. Die wichtigste Voraussetzung für nachhaltiges Lernen.
All das geht nicht ohne Investitionen in die Ausstattung der Schule. Jeder Schule steht ein eigenes Budget zur Verfügung, über das die Schulleitung frei entscheiden darf. Auch eine Vertrauensfrage.
Dass dieses pädagogische System funktioniert, zeigen regelmäßig die Ergebnisse der PISAStudie und die Zufriedenheit die Lernende und Lehrende ausgestrahlt haben.
Wir reisen zurück mit einem Koffer voller Ideen und noch mehr Fragen – Fragen an uns, unsere Schülerinnen und Schüler und unser Schulsystem. Nun gilt es Antworten und Wege zu finden.